Vergangenheit: Wie unsere frühen Erinnerungen unser Selbstbewusstsein und unsere Zufriedenheit prägen
- Redaktion Mittagsmagazin
- 25. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Erfahrungen prägen uns nicht nur durch das, was passiert ist, sondern auch durch die Art, wie wir diese Ereignisse wahrnehmen und bewerten.
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Besonders entscheidend sind Erinnerungen an die frühen Erwachsenenjahre: Sie scheinen einen starken Einfluss auf unser Selbst- und Lebensgefühl zu haben.
Oft schenken wir unserer Vergangenheit im Alltag wenig Aufmerksamkeit, weil die Gegenwart und Zukunft dringlicher erscheinen. Doch wer wirklich verstehen möchte, warum wir fühlen, wie wir fühlen, muss einen Blick zurück wagen. Denn unsere Erlebnisse haben uns geformt – und dieses Wissen kann uns helfen, uns selbst besser zu verstehen.
Die Macht der eigenen Interpretation
Wenn wir uns an vergangene Momente erinnern, eröffnen sich uns neue Möglichkeiten: Wir können entscheiden, wie wir diese Ereignisse einordnen. Ein Streit mit der Schwester könnte als harmloses Missverständnis gesehen werden – oder als Ausdruck eines tieferliegenden Konflikts. Ein Misserfolg kann als persönliches Versagen interpretiert werden – oder als Chance, aus Erfahrung zu lernen.
Wir wählen also, wie wir unsere Geschichte erzählen. Da Erinnerungen Emotionen auslösen, beeinflusst unsere Bewertung auch, wie wir uns fühlen – nicht nur gegenüber den Erinnerungen selbst, sondern auch in Bezug auf unser gegenwärtiges Selbst. Immerhin sind wir der Hauptcharakter unserer eigenen Lebensgeschichte.
Erinnerungen aus den Zwanzigern – der „Reminiscence Bump“
Besonders prägend für unsere persönliche Lebensgeschichte sind die frühen Erwachsenenjahre, etwa das dritte Lebensjahrzehnt. Forschende der Universität Georgia Tech in Atlanta fanden heraus, dass wir aus dieser Zeit besonders viele klare Erinnerungen speichern. Psycholog:innen nennen dieses Phänomen „Reminiscence Bump“ – den Erinnerungshügel.
Eine Erklärung: In dieser Phase treffen wir viele Entscheidungen, die unsere Identität formen, und erleben deren Folgen zum ersten Mal – etwa den ersten Job oder den Einzug in die eigene Wohnung. Die Studie der Atlantaner zeigte, dass genau diese Jahre besonders häufig als wichtige Lebensereignisse genannt werden.
Die Studie im Überblick
Für ihre Untersuchung befragten die Forschenden 765 Personen im Alter von 49 bis 90 Jahren. Jede:r Teilnehmer:in sollte die 15 wichtigsten Lebensereignisse auflisten und bewerten, wie stark der eigene Einfluss darauf war (auf einer Skala von 1 bis 5). Zusätzlich wurden Lebenszufriedenheit sowie das Gefühl von Selbstständigkeit und Kontrolle erhoben.
Interessant: Menschen im mittleren Alter (bis 62 Jahre), die ihre frühen Erwachsenenjahre als selbstbestimmt einordneten, berichteten häufiger von Zufriedenheit und einem Gefühl der Kontrolle. Bei den älteren Teilnehmenden (ab 62) ließ sich dieser Zusammenhang nicht nachweisen – dennoch legen die Forschenden nahe, dass das Gefühl, den eigenen Lebensweg selbst gewählt zu haben, das Selbstvertrauen und die Zufriedenheit stärken könnte.
Den eigenen Lebensweg reflektieren
Die Studie liefert zwar nur Hypothesen, keine endgültigen Beweise: 765 Personen bilden keine repräsentative Stichprobe, und es könnte sein, dass zufriedene Menschen automatisch ihre Vergangenheit als selbstbestimmt wahrnehmen.
Dennoch regt die Untersuchung an, darüber nachzudenken, wie wir uns selbst und unsere Geschichte wahrnehmen. Wer sich bewusst macht, wie er seine Erlebnisse bewertet, kann ein stärkeres Gefühl der Selbstbestimmung entwickeln. Wer den eigenen Lebensweg versteht, stärkt damit auch seine Zufriedenheit – und vielleicht wird man dadurch ein bewussterer Hauptcharakter der eigenen Geschichte.